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Jahrestreffen 2022 von ICOS Deutschland im Schneefernerhaus auf der Zugspitze

In luftiger Höhe und umrahmt von schneebedeckten Berggipfeln versammelte sich die deutsche ICOS-Community zu einem wissenschaftlichen Austausch rund um die Aktivitäten des ICOS-D Netzwerks. Ausgerichtet wurde das Treffen vom 30.11. bis 01.12. in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, in dem sich – neben einer Vielzahl weiterer Messlabore – die vom Umweltbundesamt betriebene ICOS-Atmosphärenstation „Zugspitze“ befindet. Neben Statusberichten aus den drei Domains (Atmosphäre, terrestrische Ökosysteme, Ozeane) sowie den zentralen Laboren, wurden aktuelle wissenschaftliche Studien vorgestellt und diskutiert.

Netzwerkstatus

Das deutsche Netzwerk trägt mit einer Vielzahl an Messstationen maßgeblich zur gesamten ICOS-Forschungsinfrastruktur bei, die europaweit derzeit knapp 150 Stationen umfasst. Aktuell betreibt ICOS-D 12 Stationen im Bereich Atmosphäre (hohe Türme, Berg- und Küstenstationen), 5 Ozeanstationen (Schiffslinien, feste Zeitserienstationen) sowie 20 Eddy-Kovarianz-Standorte über den bedeutendsten Landnutzungstypen (Wald, Grünland, Acker, Moor) im Bereich der terrestrischen Ökosysteme. Um ein möglichst genaues Bild der wichtigsten Quellen und Senken für Treibhausgase zu bekommen, sind gezielte Erweiterungen in bislang noch nicht untersuchten bzw. unterrepräsentierten Gebieten auch für die kommenden Jahre vorgesehen. Beispielsweise wird in 2023 die europaweit erste Ästuarstation in der Elbemündung bei Cuxhaven dem ICOS-Netzwerk beitreten. Dadurch werden wichtige Informationen zum bislang wenig untersuchten Kohlenstofftransport zwischen Land und Ozean zusammengetragen. Aufgrund des hohen Beitrags an den landesweiten CO2-Emissionen, geraten die verschiedenen Nutzungsformen der Moorökosysteme ebenfalls in den Fokus potenziell weiterer Beobachtungsstandorte. Der von der Universität Münster kürzlich eingerichtete Eddy-Turm im Amtsvenn-Hündfelder Moor gilt hierbei als aussichtsreicher Beitrittskandidat.

Neues Format – Domain-spezifische Fokusthemen

Ein Ziel des Jahrestreffens stellte die Fokussierung auf vorab gesetzte Domain-spezifische Punkte dar. Hierbei sollte zu einem aktuellen Themenfeld neben der Darstellung des wissenschaftlichen Status quos sowie des deutschen Netzwerkbeitrags, die Problematik und Relevanz für Forschung und Gesellschaft identifiziert werden und potenzielle Entwicklungsbereiche für das deutsche bzw. für das europäische ICOS-Netzwerk aufgezeigt werden.

                                                                                                                           

Methan in der Atmosphäre

Methan (CH4) ist neben CO2 das zweitwichtigste anthropogene Klimagas in der Atmosphäre und hat über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren gegenüber CO2 ein 28-fach erhöhtes Treibhauspotenzial. Im Jahr 2021 wurde durch die USA und der Europäischen Union das Global Methane Pledge (GMP) angestoßen. Die Initiative verfolgt das Ziel, die globalen Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30% zu reduzieren (verglichen mit 2020), um so maßgeblich zur Eindämmung des globalen Temperaturanstiegs beizutragen. Seit Beginn der Aufzeichnungen wurden in den Jahren 2020 und 2021 die höchsten Anstiege der weltweiten CH4-Konzentrationen beobachtet. Im Rahmen des Jahrestreffens wurden Fallstudien vorgestellt, die sich mit der Isotopensignatur des Methans beschäftigen. Die Signatur liefert Hinweise auf die spezifischen Emittenten bzw. Quellregionen, beispielsweise ob das Methan aus biogener Herkunft (z.B. aus Feuchtgebieten oder aus der Viehhaltung) oder aus der Erdgas- oder Kohlegewinnung stammt. Die Bestimmung der CH4-Isotopensignatur ist allerdings zum aktuellen Zeitpunkt nicht fester Bestandteil des ICOS-Beobachtungsnetzwerkes. In der Vortragsreihe wurde des Weiteren die hohe Variabilität der atmosphärischen Methankonzentrationen an den deutschen ICOS-Stationen verdeutlicht. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Küstenstation in Westerland auf Sylt. Hier konnten bislang die zeitweilig stark erhöhten Konzentrationen zwar mit einer vorherrschend westlichen Windrichtung in Zusammenhang gebracht werden, jedoch herrschte Unklarheit über die eigentliche Ursache bzw. Quelle des Methans. Eine neue Studie liefert nun Hinweise auf eine Methanfreisetzung durch Sandvorspülungen, die dem Schutz der Dünen und des Küstenstreifens dienen und einige Kilometer vor der Küste durchgeführt werden. Die Atmosphärenbeobachtungen von ICOS konnten ebenfalls einen Beitrag zu den im September 2022 entdeckten Lecks an den Nord Stream Pipelines liefern, indem Abschätzungen zur Quellstärke sowie zur Ausbreitung der Methanwolke gegeben werden konnten. In einem nächsten Schritt wird eine Emissionsverifikation mittels inverser Modellierung durchgeführt.

Vernetzung von ICOS-Ozean Daten mit anderen Infrastrukturen

In der Beitragsreihe zur Ozeandomäne wurde die Vernetzung und Integration mit Daten anderer Infrastrukturen in den Mittelpunkt gestellt. Hierbei wurde unter anderem die Möglichkeit der Zusammenführung der Oberflächendaten von ICOS SOOP-Linien (Ship of Opportunity) mit Vertikalprofilen aus dem BGC-Argo Programm an Beispielen aus dem Nordatlantik und der Ostsee demonstriert. Die Einbettung in große Anstrengungen der Klimaforschung im Bereich der Arktis wurde am Beispiel der einmaligen Oberflächen-pCO2-Daten, die während der MOSAiC-Expedition durch das Forschungsschiff Polarstern erhoben wurden, demonstriert. Eine Zusammenführung unterschiedlicher Daten mit Schwerpunkt obere Wassersäule und untere Atmosphäre in Zusammenhang mit den Lecks an den beiden Nord Stream Pipelines im Bereich des Bornholm Beckens (Ostsee) zeigte das hohe Potential der Integration innerhalb unterschiedlicher Domänen von ICOS. Die Vorstellung der neu in die Ozeankomponente aufgenommenen Station Cuxhaven (Elbemündung) und dort gewonnener Daten demonstriert die Erweiterung der Fragestellung von ICOS auch in Richtung Land-Meer Treibhausgas-Flüsse, und das beachtliche Potential der in diesem Feld möglichen Interaktion mit anderen Europäischen Forschungsinfrastrukturen (Danubius, JERICO).

 

Kohlenstoffbilanzen in Agrarlandschaften

Im Bereich der terrestrischen Ökosysteme wurden gezielt Acker- und Grünlandflächen angeschaut. Basierend auf den CO2-Austauschraten konnten Bilanzen über den Kohlenstoffgewinn bzw. den Verlust des Ökosystems gegenüber der Atmosphäre aufgestellt werden. Ein kritischer Blick richtete sich auf die Bilanzierungsmethodik. Eine anerkannte Größe ist dabei die sogenannte Netto-Biom-Produktion, bei der die gemessenen CO2-Flüsse mit den lateralen Kohlenstoffzugaben (z.B. durch organischen Dünger und Saatgut) sowie den Entzügen durch Ernte verrechnet werden. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Grünländer auf Mineralböden eine nahezu ausgeglichene Kohlenstoffbilanz aufweisen, d.h. der durch Photosynthese gebundene sowie durch Düngung eingetragene Kohlenstoff liegt in etwa mit dem C-Gehalt des Ernteentzugs im Gleichgewicht. Eine deutliche Tendenz zeigen hingegen Ackerflächen und Grünländer auf organischen Böden (hier entwässerte Hochmoore). Der C-Verlust der betrachteten Fläche, d.h. die Summe aus C-Gehalt der Ernte plus Bodenatmung, übersteigt im Mittel an allen untersuchten Standorten den in das System eingetragenen Kohlenstoff (Aufnahme durch Photosynthese plus verbleibende Biomasse wie Wurzeln und Stoppeln). Dies bedeutet, dass bei der aktuellen Landbewirtschaftung langfristig Kohlenstoff verloren geht. Um die Belastbarkeit der Ergebnisse zu prüfen, sind die Komponenten mit den größten Unsicherheiten diskutiert worden. Während der potenzielle Fehler in den Eddy-Kovarianzmessungen mittlerweile gut dokumentiert und abschätzbar ist, sind die Gesamtbilanzen insbesondere durch die Bestimmung des C-Gehalts in der Biomasse – in erster Linie aufgrund variabler Restfeuchte – mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Hierbei wurde sich im Rahmen des Meetings auf eine noch durchzuführende Sensitivitätsstudie geeinigt, um zuverlässigere Aussagen treffen und die bislang gefundenen Trends bestätigen zu können. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass bei anhaltenden negativen Netto-Biom-Produktionen ein Verlust im Bodenkohlenstoff sichtbar werden müsste. Dies kann bislang nicht eindeutig belegt werden, da einerseits Boden-C-Inventuren aufgrund kleinräumlicher Variabilität selbst hohe Unsicherheiten aufweisen und je nach Standort der Verlust nicht zwangsläufig in der organischen C-Substanz liegen muss, sondern auch anorganischer Herkunft, z.B. bei hohen Karbonatgehalten, sein kann. Ein weiterer Diskussionspunkt umfasste den prinzipiell vielversprechenden Zwischenfruchtanbau, bei dem die aufgewachsene Biomasse (z.B. durch Ölrettich) vollständig in den Boden eingearbeitet wird, um den gebundenen Kohlenstoff im System zu halten. Hierzu liegen jedoch zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund einer sehr geringen Anzahl an Jahren mit Zwischenfruchtanbau an den Beobachtungsstandorten keine gesicherten Erkenntnisse vor. Während am Ackerstandort Klingenberg erste Abschätzungen zeigen, dass die C-Freisetzung durch Zwischenfruchtanbau im Vergleich zur Brache halbiert werden kann, erwies sich die Maßnahme am Ackerstandort Gebesee aufgrund eines zu hohen Wasserbedarfs als nicht praxistauglich. Abschließend ist auf die Bedeutung einer guten und vertraulichen Kommunikation mit den Landwirt*innen hingewiesen worden, um alle wichtigen Schritte der Landbewirtschaftung akkurat in die Erstellung der Kohlenstoffbilanzen einfließen lassen zu können und den für ICOS so wichtigen langfristigen Betrieb sicherstellen zu können.

Allgemeine ICOS-Links:

Website der ICOS Forschungsinfrastruktur: https://www.icos-cp.eu/

Website des deutschen Beitrags (ICOS-D): https://www.icos-infrastruktur.de/

ICOS Broschüre: https://www.icos-cp.eu/sites/default/files/2022-03/ICOS_brochure_2022_web.pdf

ICOS Handbuch: https://www.icos-cp.eu/sites/default/files/2022-03/ICOS_Handbook_2022_web.pdf

ICOS Strategie: https://www.icos-cp.eu/sites/default/files/cmis/ICOS%20Strategy.pdf

ICOS FLUXES Bulletin: https://www.icos-cp.eu/fluxes

 

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